Wenn jemand in der glücklichen Lage ist, ein fixes Übungsprogramm für die regelmäßige Praxis zu haben, sei es selbst zusammengestellt oder von einem Lehrer, kann er sich bei entsprechender Motivation der Erfüllung seiner gesetzten Ziele annähern. Irgendwann ist es natürlich Zeit, das Programm zu ändern oder zu ersetzen. Aber wann ist dieser Zeitpunkt erreicht? Ich möchte hier ein paar Überlegungen dazu anstellen.
Ich beschränke mich im folgenden auf Asana-Programme, da dies für die Mehrzahl der Übenden das wichtigste ist, bei Pranayama und Meditation sieht die Sache etwas anders aus. In meinem Fall bleib ich zwischen wenigen Tagen und etwa 6 Wochen beim gleichen Übungsprogramm. In Fällen sehr akuter Beschwerden, zB als ich mir im Sommer zuletzt den Rücken arg beleidigt hatte und beinahe jede Bewegung zur Qual wurde, ist ein Programm nur ein paar Tage aktuell. Es richtet sich in diesen Fällen nach den Bewegungsmöglichkeiten, die am Anfang stark eingeschränkt sind, sich aber in kurzer Zeit wieder normalisieren und eine Anpassung oder Erneuerung des Programms sinnvoll machen. Ja, es ist sogar notwendig, dieser Regeneration des Körpers Rechnung zu tragen, wenn man den Heilungsprozess optimal unterstützen möchte. Nach dieser akuten Phase werden die Abstände allmählich länger, zuerst eine Woche, dann zwei usw., so dass man den Körper optimal in seiner Entwicklung begleitet.
Bei anderen, weniger akuten Themen braucht man nicht so häufig wechseln. Aber die Art und Weise, wie man mit den Schwierigkeiten des Programms zurande kommt oder eben nicht, ist ebenfalls ein Kriterium dafür, wann ein neues Programm fällig wäre. Ein Yoga-Programm soll einerseits gut bewältigbar sein und andererseits Herausforderungen beinhalten. Wird das Üben nur mehr zur Routine, dann ist es Zeit für etwas Neues.
Ein anderes Kriterium ist die Vertrautheit mit der Praxis. Ich freu mich immer, wenn ich den Punkt erreicht habe, wo ich die Praxis auswendig im Kopf habe. Dann fließt sie bereits mit einiger Leichtigkeit und vielleicht ist auch das Ablaufdatum dann bald erreicht. Die Vertrautheit ermöglicht mehr Tiefe, daher sollte man nicht zu früh wechseln, denn diese Tiefe ermöglicht erst die Erfahrung des Yoga.
Andererseits ist Langeweile bei der Praxis hinderlich. Langeweile hat zwar genau genommen nicht mit der Praxis zu tun, sondern eher mit der geistigen Einstellung des Übenden, aber in vielen Fällen ist eine Erneuerung wichtig, um wieder neue Inspirationen zu bekommen.
Ich hab bereits erwähnt, dass bei therapeutischen Praxen die Abstände anfangs oft sehr kurz sind, und dann länger werden. Das Kriterium hier ist einfach der Heilungsfortschritt. In akuten Phasen geht es um Entlastung der schmerzhaften oder sonst betroffenen Region, später werden die Anforderungen an die betroffene Gegend erhöht, bis diese wieder normal belastbar wird. In einem weiteren Schritt kann man eine längerfristige Stabilisierung zB durch Kräftigung der entsprechenden Muskeln planen.
Auch wenn das Yoga-Ziel darin besteht, bestimmte Haltungen zu meistern, ist ein stetiges Anpassen notwendig. Hier wäre das Kriterium, ob die vorbereitenden Haltungen gut gemeistert wurden. Das Meistern einer Haltung betrifft aber nicht nur das Äußere der Haltung – angepasst an die anatomischen und sonstigen Möglichkeiten des Übenden – sondern auch die Integration des Atems in die Übung. Das ist im Gruppenunterricht natürlich nicht anders.
Ist das Thema einer Einzelpraxis hingegen der Atem selbst, z.B. wenn jemand den Fluss von Atem und Bewegung verbessern möchte, dann erreicht man dies mit einfachen Übungen besser, und diese darf man auch über längere Zeit beibehalten. Doch auch hier gilt: Der Fortschritt im Yoga besteht darin, dass man die Leichtigkeit, die man zuvor in einfachen Abläufen erlebt hat, auch in zunehmend schwierigeren Abläufen spüren kann.
Eine gute Yogapraxis ist abgestimmt auf deine persönliche Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ändert sich die Situation, dann ist vielleicht die Praxis nicht mehr optimal. Bei Anfängern rate ich anfangs zu kürzeren Intervallen, weil man am Anfang der Praxis die größten Lernschritte macht. Die persönliche Situation ändert sich aber auch dadurch, dass jemand zB am Abend statt am Morgen übt. Und auch der Wechsel der Jahreszeiten erfordert eine andere Praxis. Das ist eben gerade der Sinn einer individualisierten Praxis, dass sie auf solche Fälle Rücksicht nimmt. Eine neue Übungspraxis für jede Jahreszeit würde ich als das Minimum sehen, um ein den persönlichen Bedürfnissen entsprechendes Programm zu haben.
Natürlich ist auch das Portemonnaie ein Entscheidungskriterium, wenn es darum geht, wann man sich in einer Einzelstunde die nächsten Inspirationen holen möchte. Wenn ich die Kosten für Einzelstunden und für einen Semesterkurs vergleiche, dann entspricht der Semesterkurspreis etwa einem Intervall von 5-6 Wochen zwischen den Einzelstunden – wobei ich Einzelstunden und einen laufenden Kurs durchaus als sinnvolle Ergänzung ansehen würde.
Ich hoffe, ein paar Anregungen gegeben zu haben, natürlich gäbe es dazu noch viel mehr zu sagen.